Samstag, 12. Juli 2014

Unter Geiern - Elspe, 12.07.2104

Es gibt noch andere schöne Kulturerlebnisse außer der Oper. Die Karl May Festpiele im sauerländischen Elspe (Stadtteil von Lennestadt) gehören eindeutig zu den Sommer-Höhepunkten in Nordrhein-Westfalen. Ein bisschen muss man natürlich für Karl Mays Wildwest-Romantik übrig haben, aber dann steht einem unterhaltsam bis spektakulärem Nachmittag nichts im Wege. Im Jahr 2014 wird auf der gewaltigen Freilichtbühne „Unter Geiern“ interpretiert.












Die Anfahrt nach Elspe ist an sich recht einfach, da man entweder über die A46 oder über die A45 zumindest in die Nähe von Lennestadt gelangt. Doch dann muss man sich durch das – zugegeben sehr schöne – Sauerland nebst kleinen Dörfern quälen. Das gewaltige Festspielgelände ist schön auf einem der zahlreichen großen Hügel dort gelegen. Wenn eine Nachmittagsvorstellung (14:45 Uhr) ansteht, öffnet das Gelände um 10 Uhr und zumindest einmal sollte man die frühe Anfahrt auf sich nehmen, um das Rahmenprogramm komplett mitzubekommen. Da in diesem Jahr der Geier Jack als Geier „Cochise“ zweimal über die Freilichtbühne fliegt, kommt im Vorprogramm „Falcons and horses“ auch die betreuende Greifvogelstation Hellenthal zum Einsatz. Unbedingt ansehen! Jack/Cochise sieht man übrigens etwas unscharf auf dem folgenden Foto.










„Cochise“ ist für Winnetou ein dunkles Omen, das ihm Gefahr ankündigt. Tatsächlich macht die gefährliche Geierbande den Liano Estacado wieder unsicher und hetzt die Komantschen gegen die Weißen Siedler auf. Häuptling Schiba Bigk (glaubwürdig: Tim Eberts) gräbt das Kriegsbeil gegen die Bleichgesichter aus, nachdem sein Vater erschossen wird. Winnetou und Old Schatterhand bekommen Unterstützung  durch den geheimnisvollen Geist des Liano Estacado, der einen Bandit nach dem anderen ausschaltet und spurlos wieder verschwindet. Logischerweise gehört Bandenführer Weller das spektakuläre Ende.






Die Effekte können sich sehen lassen und leider auch hören. Geräuschempfindlichen Kindern (oder Erwachsenen) ist ein Ohrenschutz zu empfehlen. Trotzdem haben die lauten und teilweise auch überraschenden Pyrotechniken einige (Klein)Kinder so verschreckt, dass sie den Zuschauerraum verlassen mussten. Doch die optische Wirkung der Effekte ist erstklassig – besonders im Finale, wo man diesem Jahr – Achtung Spoiler!! – die bewährte Mischung aus einer gewaltigen Explosion und dem künstlichen, 8 Meter hohen Wasserfall zurückgreift.






Zusätzliches Leben bekommt die Handlung durch die zahlreichen Einsätze von Pferden sowie die Stuntmen, die ihr Können zusätzlich in der Extrashow „Caretaker’s Crash“ unter Beweis stellen. Den nötigen Rest an Bühnenaktion bringt ein sehr gutes Darstellerensemble mit sich. Gespielt wird auf der großen Bühne (und für einen Zuschauerraum, der über 4000 Besucher fasst) mit großer Gestik und ebenso deutlich auch gesprochen. Schnelle Wortgefechte sind trotz guter Mikrophontechnik eine Seltenheit. Der Verständlichkeit wird sinnvollerweise der Vorzug gegeben. Gespielt wird engagiert und rollentypisch: Rolf Schauerte mimt den bösen Preston, Robert Marteau hätte man als Juggle Fred gerne öfter in Aktion erlebt. Sebastian Kolb ist der Nachwuchs für Rollen, die man in den Karl May Filmen mit den jungen Götz George und Terrence Hill besetzt hat – hier ist er der eine Spur zu nett wirkende Bloddy Fox. Zoe Howard bringt feminine Reize in die Männerrunde, ist aber als Sara Helmer genau so taff. Geschäftsführer Oliver Bludau ist ein Old Shatterhand mit der passenden Ausstrahlung. Jean-Marc Birkholz gibt einen edlen Winnetou. Viele Fans waren auch wegen ihm gekommen: Martin Semmelrogge gibt Bösewicht Weller ätzende Schärfe.
























Dass Sir David Lindsay (der eigentlich nicht in Amerika aufkreuzt) im Geschehen mitmischt – großartig gespielt von Markus Lürick – bringt doch eine Idee mit sich: Warum nicht mal als Test auf den Winnetou-Bonus verzichten und Karl May auf seinem Orientzyklus folgen? Die Bühne hätte auch dafür das nötige Potential. Übrigens: Unbedingt empfehlenswert ist die anschließende Bühnenführung, wo man mal alle Geheimnisse der künstlich ergänzten Naturbühne erkunden kann. Ebenfalls lohnenswert ist vor der Aufführung eine Fahrt mit dem Zug, der im Stück ebenfalls zum Einsatz kommt. Regisseur Jochen Bludau war lang genug selbst in Elspe als Darsteller aktiv, um zu wissen, welches Konzept hier funktioniert. Im nächsten Jahr gehen Winnetou und Old Shatterhand (mal wieder) auf die Jagd nach dem „Schatz im Silbersee“.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen