Mittwoch, 5. November 2014

Tosca - Paris/Münster, 16.10.2014



Opern-Übertragungen im Kino sind in Münster zum Glück ja keine Seltenheit. Während sich der Marktriese der Metropolitan Opera im Cineplex schön breit macht, finden sich die Live-Übertragungen der Opera National de Paris im intimen Schlosstheater wieder. Meistens zu einer eher ungünstigen Zeit unter der Woche und daher hält sich der Besucheransturm auch in Grenzen. Doch der Opernkrimi schlechthin, Puccinis „Tosca“, zog einige Zuschauer in seinen Bann und wer es erlebt hat, kann sich glücklich schätzen: Die Übertragung gehörte eindeutig zu den Diamanten unter den digitalen Aufführungen.
 

Rein technisch gesehen war der ab und an schlecht ausbalancierte Klang der Sänger und auch die schwammige Kameraführung noch ausbaufähig, doch fiel das angesichts der Aufführung nicht weiter ins Gewicht. Ein gewaltiges Kreuz beherrschte das konzentrierte Bühnenbild von Christof Hesser, das im ersten Akt noch wie der Grundriss einer Kirche auf dem Boden lag. In seinem Schatten hatten der Maler Cavaradossi und seine Geliebte Floria Tosca ihr letztes und einziges Liebesduett. Und das genossen sie sichtlich: Marcello Alvarez als Cavaradossi und Martina Serafin als Tosca zelebrierten nichts anderes als die hohe Kunst des Gesangs. Dem argentinischen Tenor musste sich sichtbar bemühen, seine mächtige Stimme, die dem Publikum beindruckende Acuti bescherte, zu den schönen lyrische Leidenschaft zurückzunehmen, doch wollte sich Alvarez nicht damit zufrieden geben, nur laute Phrasen zu dreschen. Auch seine österreichische Bühnenpartnerin sang die Sängerin Tosca ausgesprochen kontrolliert und innig. Sie bot kein teutonisches Gekeife sondern eine emotional ausgereifte Studie dar. Was ihr an letzter Dramatik im zweiten Akt fehlte, machte sie mit einem derart packenden Spiel wieder wett, dem man sich nicht entziehen konnte.
 
Regisseur Pierre Audis sorgfältige Probenarbeit war deutlich zu sehen. Die größte Überraschung seiner starken Inszenierung war der dritte Akt, der nicht auf der Engelsburg in Rom spielte sondern in einem Heerlager außerhalb der Stadt. Hier musste das Liebespaar auf ewig von einander Abschied nehmen. Ebenso im Schatten des Kreuzes als Symbol für den übermächtigen Kirchenstart starb zuvor auch der nihilistische Polizeichef Scarpia durch Toscas Hand. Rollendebütant Ludovic Tézier sang die Rolle mit all ihren gefährlichen Zwischentönen und spielte sie in einer Mischung aus Einsamkeit und Zynismus. Vollständig perfekt wurde das musikalische Glück durch das großartig spielende Orchester unter der Leitung von Daniel Oren – ein erfahrener „Tosca“-Veteran, der genau wusste, wie er das dramatische Werk für die Sänger angenehm und für die Zuschauer zu einem packenden Erlebnis machen konnte.

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