Montag, 15. August 2011

Live aus Bayreuth - Lohengrin - 14.08.2011


Mit Spannung hatte ich sie erwartet, die erste Live-Übertragung ins Deutsche TV von den Bayreuther Festspielen. Dabei startete die zeitversetzte Übertragung alles andere als glücklich, denn der Übergang von den letzten Worten der Moderatorin Annette Gerlach zum zärtlichen Vorspiel des Lohengrin geriet zu kurz, sodass die ersten Takte gar nicht richtig zur Geltung kamen. 

Auch wenn hier die Geigen noch nicht richtig auf dem gemeinsamen Nenner waren, so war schon der Rest des Vorspiels ein Genuss. Das Festspielorchester agierte auf hohem Niveau, von Andris Nelsson prächtig dirigiert. Der lettische Dirigent lies nur wenig verweilen, zog die Tempi gut an, ohne die Ruhepunkte vermissen zu lassen. Auch die Gesamtstruktur des Werkes litt nicht unter der Beleuchtung kleinerer Feinheiten. Der Festspielchor machte seinem Namen alle Ehre: Selten hörte man so viele Stimmen so präsent und ausgeglichen, ohne die obligatorischen Wackelkandidaten darin, deren scharfen und unkontrollierten Stimmen das Klangbild stören.
Ärgerlich, dass der erste Akt durch einen sinnflutartigen Regenguss in Bayreuth in der Übertragung gestört wurde, aber hier erwies sich die Zeitversetzung als Glücksfall, denn so konnte an der gleichen Stelle wieder ein,- und fortgesetzt werden.

Die vokalen Leistungen waren durchweg hörenswert, trotzdem mit der Möglichkeit zur großen Differenzierung. Annette Dasch hat den Hang manche Töne unschön anzuschleifen, auch fehlt ihr bei schwebenden Tönen die Ruhe im Atem, so dass sich ein störendes Flackern einstellt. Aber ihre Elsa hat durchaus Format, gerade in der Textbehandlung, vermag den Hörer durchaus abzuholen und die Rolle wirken zu lassen.
Ähnlich ist es bei Petra Lang, die eine fulminante Ortrud spielt und singt, wenngleich einige Töne doch zu keifend gerieten. Aber ihre Höhensicherheit („Entweihte Götter!“) ihre eindrückliche Gestaltung wischten einige Einwände beiseite. Die Kamera fing ihre wirkungsvollen finsteren Blicke, ihre beherrschende Erscheinung blendend ein. Fantastisch geriet die Auseinandersetzung der beiden Damen im weißen und schwarzen Schwanenkleid vor dem Münster, aber auch des bösen Paares zu Beginn des zweiten Aktes. Jukka Rasilainen war ein beherzter Einspringer in der Rolle des Telramund, verlieh dieser „Brüllpartie“ viel Profil und eine differenzierte Wiedergabe. Neben machte ihm machte Samuel Youn als markant auftrumpfender Heerufer auf sich aufmerksam.
Als Lohengrin löst Klaus Florian Vogt Jonas Kaufmann aus dem letzten Jahr ab. Wo Kaufmann mit seinem dunklen, leicht gaumigen Tenor für Diskussionen sorgte, ist es hier der etwas körperlose, monochrome Klang von Vogt. Doch bei beiden ist dies Meckern auf hohem Niveau, denn Vogt kann diese Rolle wirklich singend beherrschen und durchstehen und dazu auch glaubhaft verkörpern. Gerade natürlich die lyrischen Momente wie der „liebe Schwan“ oder „Elsa ich liebe dich“ sind in ihrer schlichten Wirkung einfach überragend. Daneben muss aber auch erwähnt werden, dass Vogt nicht seinen besten Abend hatte.
Die vokale Krone des Abends gebührt indes dem Bassisten Georg Zeppenfeld, der keinen Vergleich mit großen Vorbildern in der Rolle des König Heinrichs zu scheuen braucht. Ich bin sehr froh darüber, dass der Bass, den ich in Münster noch als umjubelter Fasolt, Masetto und Phillip II. erleben dürfte, eine so überragende Leistung abliefern konnte. Die mühelose Höhe, der schön bassige Klang der Tiefe – derzeit möchte man kaum einen anderen Sänger in dieser Rolle hören.

Im Gegensatz zu seiner stimmlichen Verfassung ist sein König szenisch fast degeneriert. Die Inszenierung von Hans Neuenfels ist auch in mir nicht unumstritten, doch unbestritten ist seine Personenführung. Da werden Feinheiten zwischen den Protagonisten deutlich, die man selten sieht Zum Beispiel scheitert Telramund im Gotteskampf an seinem eigenen Zweifel als fragend zu Ortrud blickt. Auch die Annäherung Elsa und Lohengrins gerät sehr glaubhaft und keinesfalls sofort romantisch aufgeladen. Ein Zustand, der sich bis ins Brautgemach hinzieht und Elsas Zweifel und ihren Zusammenbruch glaubhaft macht.
Das Experiment in steriler Laborsituation, das Neuenfels mit Hilfe der Laborratten hier durchzieht, erweist sich als ein durchaus möglicher Handlungsfaden, der das Werk keinesfalls entstellt. Der werktreue Wagnerianer kann über die niedlichen Ratten, die sich gerne evolutionär vor und zurück entwickeln – immer abhängig von der Führungsperson, der sie gerade die Treue schenken – natürlich nur die Nase rümpfen. Doch das Kollektiv der Nagetiere erweist sich einerseits als Glücksfall für die Führung des Chores, der so als wirkliche Rolle auftritt, und ist anderseits so ambivalent, dass sie gleichzeitig böse, niedlich oder gefangene Opfer sind. In diesem Rahmen sind Wagners Figuren dem Libretto gemäß wieder zu erkennen, wenn auch mit neuen Facetten. Letztendlich können in dieser Sichtweise nur die religiösen Komponenten (Schwan, Gral) nicht richtig Fuß fassen, bleiben neben den soziologischen Aspekten nahezu unbeleuchtet, was darin endet, dass die Gralserzählung fast konzertant nebenher gesungen wird. Zweifelsohne ist Neuenfells Interpretation durchdacht und dabei nicht einmal zu künstlich und verkrampft in der Gesamtwirkung. Eine wirkliche Neu-Interpretation also, die durchaus sehenswert ist, nicht gemocht werden möchte, den Skandal aber auch nicht heraufbeschwört.

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