Die erste Kino-Übertragung live aus Bayreuth war aus meiner
Sicht ein riesiger Erfolg mit kleinen Abstrichen. Dank der modernen Technik
konnte man in den Lichtspielhäusern die vielschichtige Inszenierung von Stefan
Herheim und eine großartige musikalische Umsetzung bewundern. Allerdings gab es
mindestens einen Ausfall: Meines Wissens konnte das Kino in Osnabrück kein
Signal empfangen, die Leinwand blieb dunkel.
Ganz im Sinne des Bayreuther Festspielhauses blieb die
Leinwand bei den ersten Tönen natürlich auch dunkel, was für das Kino sehr
ungewöhnlich ist. Doch Herheims Inszenierung (sein Don Giovanni in Essen war für mich ebenfalls grandios) war so lebendig, dass nicht lange
dunkel bleibt. Im ersten Akt dominierte eine tiefenpsychologische Sicht auf
Parsifals Geburt und Heranwachsen. Hier war man mit den vielen Einfällen, mit
der umfangreichen Personenführung fast überfordert. Das Bühnenbild von Heike
Scheele war eine grandiose, sich stetig veränderte Villa Wahnfried – es war
eine lebendige Bühne mit enormem technischen Aufwand. Im Mittelpunkt der ersten
beiden Akte stand ein Bett – ein Ort der Geburt, des Sterbens und der
Verführung. Wie vielschichtig die Figur der Kundry zeigte Herheim in ihrer
Wandelbarkeit: Sie trat Parsifals Mutter und gleichzeitig seine Gouvernante in
Erscheinung, in der Verführungsszene war sie Marlene Dietrich. Herheims Regie
ging durch Zeit, angefangen beim Aufbruch zum ersten Weltkrieg. Im zweiten Akt
gelang ihm wohl eines der spannendsten Bildern, wo sich die Villa Wahnfried in
ein Lazarett aus dem zweiten Weltkrieg verwandelt. Als Kundry Parsifal
verfluchte und Klingsor (stark: Thomas Jesatko) auftauchte um Parsifal zu
stoppen, rollten sich Hakenkreuzfahnen auf, der braune Spuk wurde von Parsifal
schnell gebannt, die Reichsadler fiel herab. Der dritte Akt schließlich begann mit
dem zerstörten Deutschland, dann ging es weiter in den Deutschen Reichstag, wo
Amfortas als Adenauer abgelöst wurde. Die zwingende Personenführung, die
Vielschichtigkeit der Einfälle und das grandiose Bühnenbild waren im Kino
absolut sehenswert. Die Kostüme waren gerade beim Parsifal etwas ungünstig:
Weder im weißen Matrosenanzug noch im weißer Kutte konnte er eine gute Figur
machen.
Erfolgreich war auch die musikalische Seite mit dem hervorragendem
Orchester unter der Leitung von Phillipe Jordan. Die Musiker verliehen dem Wer
einen weihevollen Fluss, mit schmerzhaften Leitmotiven. Beim Bayreuther Festspielchor herrschte die gewohnte positive Souveränität, die Lobeshymnen reißen für diesen Klangkörper zu Recht nicht ab. Matchwinner bei den
Solisten war Kwangchul Youn als Gurnemanz, der wundervoll auf Linie sang und
mit sehr guter Diktion gestalten konnte. Mit nur ganz kleinen Abstrichen
gefielen Kundry und Parsifal. Susan Maclean von der Deutschen Oper am Rhein
sang eine schillernde Kundry. Besonders stark war die Pause nach „… und lachte“,
wo sie die Spannung des Augenblicks für den Moment der Pause komplett mittrug.
Abgesehen von leichten Ermüdungserscheinungen im letzten Akt sang Burkhard
Fritz einen tollen Parsifal mit schönem Timbre und viel Gefühl, glaubhaft auch
seine Darstellung vom Toren zum Erlöser. Detlef Roth konnte vor allem in den
lyrischen Momenten den Amfortas richtig schön leiden lassen, doch die
dramatischen Szenen waren doch zu sehr forciert.
Das Kino bot zusätzlich interessantes Pausenprogramm,
moderiert von Axel Brügemann. Der stellte noch einigermaßen gute Frage, bis zu
dem Moment wo er Frau Maclean in ihrer Garderobe um einen Kundry-Schrei bat: „Machen
Sie doch mal eben….“ Kein Sänger mag dieses „Machen Sie doch mal eben….“, Susan
Maclean hat es schließlich doch gemacht. Klaus Florian Vogt bewegte sich als
Co-Moderator zwar im ungewohnten Fach, machte aber noch eine ganz passable
Figur, während an Katharina Wagner keine Moderatorin verloren gegangen ist. Sie
sollte im nächsten Jahr besser nicht mehr mit moderieren.
Ansonsten kann man nur darum bitten, dass Bayreuth dieses Angebot
beibehalten wird.
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