Sonntag, 12. August 2012

Parsifal - live im Kino - Bayreuth, 11.08.2012


Die erste Kino-Übertragung live aus Bayreuth war aus meiner Sicht ein riesiger Erfolg mit kleinen Abstrichen. Dank der modernen Technik konnte man in den Lichtspielhäusern die vielschichtige Inszenierung von Stefan Herheim und eine großartige musikalische Umsetzung bewundern. Allerdings gab es mindestens einen Ausfall: Meines Wissens konnte das Kino in Osnabrück kein Signal empfangen, die Leinwand blieb dunkel.

Ganz im Sinne des Bayreuther Festspielhauses blieb die Leinwand bei den ersten Tönen natürlich auch dunkel, was für das Kino sehr ungewöhnlich ist. Doch Herheims Inszenierung (sein Don Giovanni in Essen war für mich ebenfalls grandios) war so lebendig, dass nicht lange dunkel bleibt. Im ersten Akt dominierte eine tiefenpsychologische Sicht auf Parsifals Geburt und Heranwachsen. Hier war man mit den vielen Einfällen, mit der umfangreichen Personenführung fast überfordert. Das Bühnenbild von Heike Scheele war eine grandiose, sich stetig veränderte Villa Wahnfried – es war eine lebendige Bühne mit enormem technischen Aufwand. Im Mittelpunkt der ersten beiden Akte stand ein Bett – ein Ort der Geburt, des Sterbens und der Verführung. Wie vielschichtig die Figur der Kundry zeigte Herheim in ihrer Wandelbarkeit: Sie trat Parsifals Mutter und gleichzeitig seine Gouvernante in Erscheinung, in der Verführungsszene war sie Marlene Dietrich. Herheims Regie ging durch Zeit, angefangen beim Aufbruch zum ersten Weltkrieg. Im zweiten Akt gelang ihm wohl eines der spannendsten Bildern, wo sich die Villa Wahnfried in ein Lazarett aus dem zweiten Weltkrieg verwandelt. Als Kundry Parsifal verfluchte und Klingsor (stark: Thomas Jesatko) auftauchte um Parsifal zu stoppen, rollten sich Hakenkreuzfahnen auf, der braune Spuk wurde von Parsifal schnell gebannt, die Reichsadler fiel herab. Der dritte Akt schließlich begann mit dem zerstörten Deutschland, dann ging es weiter in den Deutschen Reichstag, wo Amfortas als Adenauer abgelöst wurde. Die zwingende Personenführung, die Vielschichtigkeit der Einfälle und das grandiose Bühnenbild waren im Kino absolut sehenswert. Die Kostüme waren gerade beim Parsifal etwas ungünstig: Weder im weißen Matrosenanzug noch im weißer Kutte konnte er eine gute Figur machen.

Erfolgreich war auch die musikalische Seite mit dem hervorragendem Orchester unter der Leitung von Phillipe Jordan. Die Musiker verliehen dem Wer einen weihevollen Fluss, mit schmerzhaften Leitmotiven. Beim Bayreuther Festspielchor herrschte die gewohnte positive Souveränität, die Lobeshymnen reißen für diesen Klangkörper zu Recht nicht ab. Matchwinner bei den Solisten war Kwangchul Youn als Gurnemanz, der wundervoll auf Linie sang und mit sehr guter Diktion gestalten konnte. Mit nur ganz kleinen Abstrichen gefielen Kundry und Parsifal. Susan Maclean von der Deutschen Oper am Rhein sang eine schillernde Kundry. Besonders stark war die Pause nach „… und lachte“, wo sie die Spannung des Augenblicks für den Moment der Pause komplett mittrug. Abgesehen von leichten Ermüdungserscheinungen im letzten Akt sang Burkhard Fritz einen tollen Parsifal mit schönem Timbre und viel Gefühl, glaubhaft auch seine Darstellung vom Toren zum Erlöser. Detlef Roth konnte vor allem in den lyrischen Momenten den Amfortas richtig schön leiden lassen, doch die dramatischen Szenen waren doch zu sehr forciert.

Das Kino bot zusätzlich interessantes Pausenprogramm, moderiert von Axel Brügemann. Der stellte noch einigermaßen gute Frage, bis zu dem Moment wo er Frau Maclean in ihrer Garderobe um einen Kundry-Schrei bat: „Machen Sie doch mal eben….“ Kein Sänger mag dieses „Machen Sie doch mal eben….“, Susan Maclean hat es schließlich doch gemacht. Klaus Florian Vogt bewegte sich als Co-Moderator zwar im ungewohnten Fach, machte aber noch eine ganz passable Figur, während an Katharina Wagner keine Moderatorin verloren gegangen ist. Sie sollte im nächsten Jahr besser nicht mehr mit moderieren.
Ansonsten kann man nur darum bitten, dass Bayreuth dieses Angebot beibehalten wird.

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