Montag, 13. Juni 2011

Hoffmanns Erzählungen - Osnabrück, 12.06.2011

In Osnabrück zeigt sich Hoffmanns Erzählungen mehr von der Seite des Regisseurs Lorenzo Fioroni und seines Co-Regisseurs Jan-Richard Kehl, der den verletzten Fioroni in den letzten Wochen der Probenphase vertrat. Jaques Offenbach kommt bei dieser Sicht eindeutig zu kurz, was auch die vielen Striche in der Partitur belegen. Trotzdem wird die Oper mit 3 Stunden und 20 Minuten zu einer recht langatmigen Angelegenheit, was viel zu Lasten der Regie ging, die viel wollte und doch wenig erreichte.


Die Idee Fioronis ist im Grunde recht genial. Er lässt die Oper durchgängig im tristen Wohnblick spielen. Doch auch der Effekt des Bühnenbildes (Paul Zoller) auf der Drehbühne lässt nach der 30sten Drehung merklich nach. Hoffmann ist die gescheiterte Persönlichkeit mit einem garstigen Nachbarn (Stadtrat Lindorf), der seine Wohnung räumt. Die Muse tritt in verschiedenen Gestalten von der Bibliothekarin bis zur Bestattungsunternehmerin auf. All das versteht man nur dann wirklich, wenn man vorher sich die „neue“ Inhaltsangabe des Programmheftes durchgelesen hat.

Der vereinsamte Hoffmann erinnert sich mehr für sich selbst an seine verflossenen Liebsten als für die zuhörenden Möbelpacker. Der Prolog und der Qlympia-Akt sind schlichtweg überinszeniert: Der Zuschauer bekommt kaum Luft über die vielen (teilweise auch unsinnigen) Aktionen der Protagonisten und des Chores, weiß kaum wo er hinschauen soll, um die Hauptperson im Getümmel wieder zu finden. Dazwischen gelingt es Fioroni, den grotesken Moment des Werkes auf unsere Gegenwart zu übertragen, wenn das sturzbetrunkene Partypüppchen Olympia sich während ihrer Koloraturarie in die Geranien übergibt.

Der Antonia-Akt ist als Gespenster-Stunde ebenfalls sehr interessant, hat aber durch deutsche Dialoge unnötige Längen, die den Spuk schnell in gähnende Langweile verwandelt. Gelungene Momente sind hier die Projektionen, wenn man aus dem Fenster Hoffmanns über die nächtliche Stadt fliegt. Während der Baccarole beobachten zwei Prostituierte am Bordstein (Giulietta und Niklause) wie eine Leiche abtransportiert wird. Ansonsten hat der Giuletta-Akt viele peinliche Momente, wo der Chor durch Kreidekästchen hüpfen muss wie in der Grundschule und Schlemihl in einer Art Pfütze ertränkt wird, die aber gerade vom Balkon so flach aussieht, dass die Fantasie des Zuschauers nicht mitspielen kann.
Der Epilog hält noch einen passenden Abschluss bereit: Hoffmann ist ausgezogen, Offenbachs Musik längst zu Ende. Stella ruft in der Wohnung an, wo Hoffmann sein Telefon vergessen hat. Ein Makler oder neuer Mieter geht dran: „Hoffmann? Ne, den gibt’s hier nicht....“ Dazu gibt es auch den besten musikalischen Beitrag des Abends, und den ausgerechnet vom Band: Don Giovannis Höllenfahrt wird eingespielt in der so genialen EMI-Referenz-Aufnahme mit Giulini, Wächter, Taddei und Frick.

Dieses Niveau können live nur die Damen erreichen, die ihre Partien auch in den schwierigsten Momenten des komplizierten Regiekonzeptes wirklich beherrschen: Natalia Atamanchuk ist die wunderschön lyrische Antonia, Sabine Ritterbusch eine sinnliche Giuletta mit edlem Timbre und Ani Tanguchi eine hervorragende Olympia. Mit Abstrichen überzeugen auch Eva Schneidereit als Muse und Bernardo Kim in der Titelrolle. Ersterer gelingt es leider nicht, ihrer schönen Mittellage auch die Höhe anzupassen, die flach und schrill klingt. Letzterer steht den Hoffmann sehr achtbar durch, hat aber kaum Farben oder Differenzierungen bereit. Genadijus Bergorulko hatte seine besten Minuten als Dr.Mirakle, ansonsten deklamierte er die Rolle mehr als sie sängerisch zu gestalten. In den Nebenrollen sind besonders Daniel Moon und Mark Hamman als Schlemihl und Franz hervorzuheben, die mit tollen Stimmen und viel Präsenz für sich einnahmen.
Wenig französisch sondern krachend teutonisch klang die Interpretation von Hermann Bäumer am Pult des sehr gut aber viel zu laut spielendem Osnabrücker Symphonieorchester. Auch die Sänger waren teilweise nicht mehr zu hören.

Unterm Strich also ein sehr langer Abend mit tollen Ansätzen, die aber wie die Musik doch etwas über das Ziel hinausschossen.

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