Ich bin seit langem ein Fan des Baritons Gerald Finley und war umso überraschter als ich letztes Jahr von seinem anstehenden Debüt als Hans Sachs las. Doch schon seine ersten Takte wischen all meine Bedenken beiseite. Sein bronzenes Timbre passt hervorragend zur Figur, seine Rollen Gestaltung ist zutiefst menschlich, durchaus auch gezeichnet von der Midlife-Krise eines Mannes, der schon viel in seinem Leben verloren hat. In der Inszenierung von David McVkar schaut er zu Beginn des dritten Aktes auch sehr resigniert auf das Gemälde von seiner verstorbenen Frau und ihren gemeinsamen Kindern, das sonst verdeckt in der Ecke steht. Ein schlichter, berührender Augenblick kongenial zur Musik des Vorspiels.
Sicher ist Finley kein Heldenbariton und wird es wohl auch nie werden, aber dennoch steht ihm für den Sachs viele markante Akzente und durchaus auch vokale Power zur Verfügung. Vor allem kann er die große lyrische Linien der Partie und die kleinen Zwischentöne voll ausfüllen, da seine Stimme ausreichend beweglich dafür ist. In der Tiefe hat er deutlich mehr an Substanz gewonnen, die Höhe ist präsent, hat aber leicht an Glanz und Mühelosigkeit verloren. Wie viele seiner Kollegen ist auch der dritte Akt für ihn grenzwertig. Am Ende der Schusterstube hört man kleine Räusper, die seine Leistung jedoch nur geing beeinträchtigen, vor allem das mir so wichtige „die selige Morgentraum-Deut-Weise“ singt er wunderschön. Und auf der Festwiese kann Finley wieder mit effektvollen Ansprachen punkten. Sprachlich ist er sehr gut vorbereitet, hat aber hier noch Luft für weiteres Entwicklungspotential. Interessant wäre es zu wissen, wie Finley in der Rolle an einem größeren Haus bestehen könnte.
Ein weiteres Highlight der Live-Übertragung aus Glyndebourne ins Internet und ins Kino und ganz großes Musiktheater ist das Zusammenspiel zwischen ihm und dem grandiosen Johannes Martin Kränzle. Sein Bariton ist sogar noch versierter als Finleys, doch auch bei ihm stellen sich einige kleine Höhenprobleme ein. Aber hier beckmesser ich, denn was Kränzle an Farben, Triller, Mimik, Stimmbeherrschung und Persönlichkeit aufbietet, katapultiert ihn gleich in die erste Reihe der Interpreten.
Neben diesen beiden müssen zwangsläufig alle anderen ein bisschen zurückstehen: Marco Jentzsch hört sich vor allem in der brechenden Höhe sehr erkältet an, so dass man seinen Stoltzing, der durchaus auch gute Momente hatte, kaum einschätzen kann. Topi Lehtipuu macht vor allem durch seine glaubhafte Erscheinung als David und seine große Differenzierungskunst die Einschränkungen wett, die er sich selbst durch seine ängstlich wirkende dünne Höhe auferlegte. Alastair Miles ist ein sehr guter Pogner mit kleinen Eintrübungen. Henry Waddington hat als Kothner keinen guten Tag erwischt. Die beiden Damen ziehen sich sehr achtbar aus der Affaire: Anna Gabler weiß als Evchen durchaus für sich einzunehmen, hat aber ein paar Schärfen in der Höhe und am Ende des Quintetts verlässt auch sie die Kraft. Michaela Selinger wertet die Partie der Magdalena enorm auf.
Vladimir Jurowski dirigiert vor allem den ersten Akt wie mit angezogener Handbremse, findet in den folgenden Akten zu einer etwas besseren Balance der Tempi. Sein Dirgat ist nur selten zu überfordernd für die Sänger und was das London Philharmonic Orchestra an vielen Feinheiten hervorzauberte, war schlichtweg toll.
David McVikar, der ja schon für viele Überraschung bei seinen Inszenierungen gesorgt hat, ist hier überraschend konventionell, sieht man mal von der zeitlichen Verlegung ans Ende des 18. Jahrhunderts ab. Man sieht, dass die „Meistersinger“ für ihn ein Ensemblestück sind, denn hier ist die Personenführung sehr gut gelungen, sowohl durch den lebendigen Chor als auch in den vielen ruhigen Momenten.
Nicht glücklich wurde ich durch die Übertragung und ihren Service: der Anbieter stellte weder Interviews um die langen Pausen zu füllen, noch ein Infoblatt mit Namen und Handlung, die Untertitel waren nur auf Englisch und die Mikrophontechnik alles andere als tadellos. Um sich zu einem gleichwertigen Anbieter zur Metropolitan Opera weiter zu entwickeln, muss hier noch viel nach gebessert werden.
Wer die Aufführung verpasst hat, kann sie bis zum 04.Juli im Internet auf der Seite der Festspiele anschauen. Auch eine Veröffentlichung auf DVD ist zum Glück geplant.
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